Martins Tag

…zumindest, wenn es ein halbwegs normaler Arbeitstag ist.

Gleichzeitig mit dem Rest der Familie geht es bei mir gegen 7:30 los. Wenn es nicht regnet, dann fahre ich die 9km zur Firma mit dem Fahrrad. Wenn es regnet – was bisher extrem selten der Fall war – dann fährt praktischerweise direkt vor der Haustür um 7:45h der Firmenbus, der mich bei Bedarf auch kurz vor sechs wieder zu Hause abliefert. Eine schöne Einrichtung und – ebenso wie das Mittagessen in der Firma – gratis. Aber wie gesagt fahre ich lieber mit dem Fahrrad. Denn das macht in Suzhou fast schon Spaß. Die Chinesen haben nämlich sehr schöne Fahrrad-Spuren neben der Fahrbahn. Die sind so breit, wie bei uns eine normale Straße und werden außer von Radfahrern auch von den beliebten Elektro-Rollern benutzt. Die meisten Roller rollen etwas langsamer als ich auf dem Rad – aber einige haben größere Akkus und sind auch etwas schneller. An die kann ich mich dann hervorragend in den Windschatten hängen und ein bisschen Kraft sparen. Damit brauche ich ca. 20min für den Weg.

Fahrradstraße im SIP

Fahrradstraße im SIP

Außerdem kommt mir sehr entgegen, dass die Chinesen es mit den Verkehrsregeln nicht so ganz genau nehmen. An roten Ampeln halten Autos zwar brav an, mit Roller oder Fahrrad kann man aber praktisch überall fahren, wo Platz ist. Im Gegenzug sollte man aber auch nicht auf seiner Vorfahrt bestehen, wo man eine hätte, sondern im Zweifel stärkere Verkehrsteilnehmer vorlassen 🙂

Bin ich also bei der Firma angekommen, schalte ich erst mal die Klimaanlage auf „Heizen“ – die Chinesen sitzen nämlich auch im Winter mit dicken Daunenjacken am Schreibtisch.. Ein Heißwasser-Spender sorgt für einen Tee und ich kann anfangen, die Mails der vergangenen Nacht abzuarbeiten. Während wir schlafen, war Deutschland ja noch fleißig. Außerdem bin ich noch für Australien zuständig, deren Arbeitstag 3 Stunden vor unserem anfängt. Letztendlich bin ich also in sehr vielen Zeitzonen unterwegs, so dass Jule sich schon zu Hause beschwert, wenn dauernd das Handy brummelt und ich auch noch draufgucke…
Für meinen Arbeitsplatz musste ich übrigens als Erstes einen höheren Stuhl organisieren – die vorhandenen ließen sich nicht für meine europäische Beinlänge einstellen.
Mittags gibt es hier in der Kantine ein Essen für die Mitarbeiter. Das ist mal essbar und mal ziemlich „ungewohnt“. Daher fahre ich meistens mit den anderen beiden Deutschen in ein nahegelegenes Restaurant, wo wir eine Portion gebratenen Reis oder eine Pizza essen.
Die chinesische Arbeitsweise unterscheidet sich doch deutlich von der unseren. Sehr viel entscheidet sich sehr spontan. Eine exemplarische Woche sieht so aus:
– Für Mittwoch ist ein Kundenbesuch südlich von Shanghai eingeplant. Wir wollen Dienstag losfahren, dort übernachten und am Mittwoch Vormittag zum Kunden.
– Am Dienstag früh auf dem Weg zur Arbeit ruft mich mein Kollege an: Der Besuch ist vom Kunden abgesagt worden.
– Dafür werde ich zu einem Kunden-Seminar am Samstag eingeplant. Anreise Freitag Nachmittag.
– Mittwoch meldet sich ein wichtiger Kunde aus Wuhan mit einem großen Projekt und verlangt, dass wir am Freitag bei Ihm unsere Geräte vermessen lassen. So schnell kriegen wir unsere Geräte fast nicht dorthin, aber es wird schon klappen.
– Donnerstag habe ich gerade meinen Flug nach Wuhan fast gebucht, da wird die Messung doch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Mal sehen, was sich heute im Verlauf des Tages so ergibt 🙂

Um 17:10 fahren die Firmenbusse wieder ab, die auf zwei verschiedenen Routen die Mitarbeiter nach Hause bringen. Da wird es dann schlagartig recht leer in den Büros. Und gegen 17:30 mache auch ich mich wieder auf den Heimweg. Dann ist es im Winter schon recht dunkel – inzwischen geht es aber. Im Sommer ist es von 5:30 bis 20:30 Uhr hell.
Die meisten Roller schalten ihr Licht im Dunkeln nicht ein, um Energie zu sparen und die Straßen sind auch meist ausreichend beleuchtet. Es stört also keinen, wenn ich mal meinen Akku für das Fahrradlicht vergessen habe. Zu Hause essen wir drei dann zusammen ein schönes deutsches Abendbrot. Mit Butter aus Neuseeland, Käse aus Holland und Hero-Marmelade aus der Schweiz.. Das kann man nämlich alles im Euro-Markt für teures Geld kaufen.

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